Ritter und Barbaren hier und heute – Das Mittelalter im Rollenspiel
Rollenspiel – Was ist das?
Auf der Suche nach dem Mittelalter in der Gegenwart stößt man über kurz oder lang auf das so genannte Rollenspiel, welches von mittelalterlichen Einflüssen entscheidend geprägt worden ist.
Beim Rollenspiel schlüpfen die Beteiligten, also die Spieler, in die Rolle von fiktiven Charakteren mit einem individuellen Aussehen, einer Vorgeschichte, einer detaillierten Charakterbeschreibung von Aussehen, Fähigkeiten, Attributen, Vorlieben und Abneigungen. So treten die Spieler dann miteinander in Interaktion. Dabei wird je nach Rollenspielart das Denken, Fühlen und Handeln schriftlich beschrieben oder aktiv dargestellt.
LARP – ein aktives Rollenspiel
Der Mittelalterbezug im Rollenspiel lässt sich wahrscheinlich am besten am LARP erläutern. LARP kommt vom englischen LiveActingRolePlay und ist die aktivste Form des Rollenspiels. Denn der Charakter wird, ähnlich wie in einem Theaterstück, mit vollem Körpereinsatz dargestellt. Dabei gibt es jedoch kein festes Drehbuch, das die Handlungen jedes Charakters vorgibt, lediglich die Rahmenhandlung wird vorab von einer Spielleitung erstellt. In diesem „Plot“ gibt es meist verschiedene Aufgaben zu bestehen, Rätsel zu lösen, Texte zu entschlüsseln und oft gilt es auch Kämpfe und Schlachten zu gewinnen.
Wie mittelalterlich ist LARP?
Viele Dinge sind im LARP an das Mittelalter angelehnt, wobei vor allem mittelalterliche Klischees bedient werden. Man isst aus Holzschüsseln und trinkt dazu reichlich Met. Es gibt oftmals Tavernen oder Schenken, in denen man sich als ‚Reisender' mit Speis und Trank stärken kann. Gerade die Ritter in ihren glänzenden Rüstungen verkörpern die helden- und ehrenhafte Seite des Mittelalters. Ein Pseudo- Latein, von Gelehrten gesprochen und in der Schrift verwendet, unterstreicht neben einer historisch angehauchten Redensart der Spieler zusätzlich das mittelalterliche Flair.
Es findet jedoch eine sehr selektive Übernahme aus dem Mittelalter statt. So werden wesentliche Merkmale des Mittelalters ganz bewusst ausgeklammert. Der christliche Glaube, als mittelalterliches Charakteristikum und maßgebende Lebensgrundlage, fehlt vollkommen. Die Frau ist dem Mann in jeder Hinsicht gleichgestellt und in der Lage, wie er, hohe Ämter in Politik, Religion oder gar Militär zu bekleiden.
Mittelalterliche Eigenheiten, Begriffe und Inhalte werden dabei jedoch bunt mit anderen Epochen, Kulturen und Genres gemischt - es wird das genommen, was gefällt und passend erscheint. Neben mittelalterlichem Adel trifft man auf disziplinierte Römer, raue Kelten oder freches Piratenvolk. Mittelalterliches wird dadurch im LARP in einen ganz anderen Kontext gestellt und zu etwas vollkommen Neuem transformiert, das nur noch wenig mit dem eigentlichen Mittelalter als Geschichts- und Kulturepoche zu tun hat.
Es sollte bei dieser Kritik jedoch bedacht werden, dass beim LARP nicht das Historische, sondern vielmehr das Phantastische, Atemberaubende im Vordergrund steht. Spezialeffekte wie Feuerwerk und künstlicher Nebel, unterstreichen die Show, die den Spielern geboten wird. Ein Verzicht auf modernen Luxus wäre beim LARP ebenfalls undenkbar. Körperhygiene und sanitäre Anlagen, Schlafkomfort in weichen Schlafsäcken und auf Feldbetten, bequemes, festes Schuhwerk und reichhaltiges, abwechslungsreiches Essen sind beim LARP nicht wegzudenken und werden von allen als willkommene Rezeptionen aus unserer heutigen Zeit begrüßt.
Denn man sollte bei dem Exkurs in diese spannende, frei erfundene Phantasiewelt nicht vergessen, dass LARP keineswegs einen Anspruch auf Authentizität erheben will, sondern vielmehr eine geschichtsnahe Interpretation darstellt. An erster Stelle soll allen Beteiligten Spaß und Abenteuer geboten werden. Sinn und Zweck des LARPs ist nämlich weniger das Wiederauflebenlassen der mittelalterlichen Epoche, als vielmehr das Verlassen unserer heute oft sehr hektischen und schnelllebigen Zeit. Sodass man für ein paar Tage in eine gänzlich andere Welt voller Phantasie und Abenteuer abtauchen kann.
Verfasserin: Sarah Tanschus
Literatur und Links: