• Das Mittelalter im Film

Holde Maid und blutiges Schwert

Das Mittelalter im Film

Das „Mittel-Alter“ – ein wenig spannendes Wort für einen Begriff, der bei vielen Menschen eine solche Flut von Bildern und Phantasievorstellungen auslöst. Das Mittelalter fasziniert uns – sei es durch seine Geschichten von starken Helden in glänzenden Rüstungen, von entführten Jungfrauen, eingesperrt in hohen Türmen, und despotischen Herrschern auf finsteren Thronen, oder sei es durch seine abschreckende Wirkung, die es zum „dunklen“ Zeitalter herabwürdigt, hervorgerufen durch vermeintliche Ungerechtigkeit, mangelnde Hygiene und eine tendenziell eher geringe Lebenserwartung. Jeder dieser Aspekte ist an sich schon interessant, aber das allein kann nicht die Faszination am Mittelalter im Film ausmachen.

Zunächst hat der Film als Genre anderen Unterhaltungsmedien einiges voraus. Niemand ist seiner eigenen Vorstellungskraft überlassen wie beispielsweise in einem Buch, stattdessen bekommt der Zuschauer eine fertig zubereitete Phantasie, die je nach Geschmack der Produzenten mit Dramatik unterlegt, mit Spannung zubereitet und dann mit Musik und visuellen Effekten verfeinert und abgeschmeckt wird. Bequem, unterhaltsam und schön weit entfernt von allen modernen Alltagssorgen, denen wir doch so gerne – zumindest für eine kurze Zeit – entkommen wollen.

Die Rollenbilder, die in mittelalterlichen Filmen vermittelt werden, sind traditionell verteilt und vielleicht gerade deswegen anziehend: Sie sind leicht überschaubar und nicht veränderbar. Der Mann hat mit seinen klassischen Tugenden zu überzeugen, und bestehen kann nur, wer genug von diesen vorzuweisen hat: Ehre, Mut (meist sinnlos und unter Einsatz des eigenen Lebens bewiesen), Loyalität und der Glaube an die einzig wahre Liebe, die es zu verteidigen gilt – all diese Charakterzüge lassen den Helden „ritterlich“ erscheinen, lassen Männer diesen nacheifern und die Frauen tief aufseufzen. Beim Anblick des „Ritters aus Leidenschaft“ und König Arthurs schlagen viele Herzen höher. Die Rolle der Frau dagegen hat ihre eigenen Reize, da dominieren prächtige Kleider und leidvolle Einsamkeit, die Kunst des Teppichwebens und Zwangsheiraten unter Adeligen. Das hat viel romantisches Potential, und die harte Realität wird vom geneigten Zuschauer einfach ausgeblendet. Wenn das Burgfräulein vom edlen Recken errettet wird, bleiben keine Wünsche offen und so manche Frau wünscht sich an die Stelle der Gefreiten.

Aber nicht nur Ritterlichkeit kann das Mittelalter anziehend wirken lassen. Auch die Faszination für das Dunkle, Abschreckende der Epoche ist es, die viele Fans begeistert. Tatsächlich lässt sich an diesen Faktoren – Dunkelheit, Dreck und Brutalität – ein Zusammenhang aufzeigen, der erklären könnte, wieso das Mittelalter zumindest für die Filmemacher ein so reizvolles Gebiet darstellt. Diese Komponenten sind ohne großen Aufwand einsetzbar und verändern die Wahrnehmung der Zuschauer durch die Assoziationen, die in ihren Köpfen hervorgerufen werden. Schnell gelingt der Sprung in die Phantasiewelt vergangener Zeiten.

Natürlich stellt sich besonders bei historischen Filmen die Frage nach der Authentizität. Es scheint, dass nur sehr wenig notwendig ist, um beim Zuschauer den Eindruck von Echtheit hervorzurufen, und nur wenige sogenannte Chiffren werden eingesetzt, die in ihrer Kombination eine ganze Bandbreite von Ideogrammen abschließen. Zwar sind auch diese Chiffren einem geschichtlichen Wandel unterzogen, aber einige bleiben doch gleich. Die Darstellung brutaler Gewalt lässt im Zuschauer sofort den Eindruck des Archaischen entstehen – „Braveheart“ siedelt sich hier an. Religiöser Fanatismus wird meist mit dem Mittelalter in Verbindung gebracht, „Der Name der Rose“ ist ein Beispiel dafür. Hinzu kommt der Eindruck des allgegenwärtigen Schmutzes, der ein hohes Maß an Glaubwürdigkeit vermittelt. So wird mit relativ einfachen Bildern und Symbolen im Kopf des Zuschauers der Eindruck von „echtem“ Mittelalter erzeugt.

Des Weiteren bietet das Genre allerhand Möglichkeiten, mit einfachen Tricks Spannung zu erzeugen. So kann ein Ritter, der komplett in seiner Rüstung verborgen ist, ganz überraschend ein anderer als der erwartete Charakter sein, und die genauen Vorstellungen des Mittelalters in der heutigen Phantasie bieten zusätzliche Möglichkeiten. Der Einsatz farbiger Schauspieler (wie in „The Black Knight“) in mittelalterlicher Umgebung z.B. spielt mit den Realitäten der damaligen Zeit.

Unter diesen Standpunkten scheinen sich zwei Kategorien der Ritterfilme abzuzeichnen: Die eine, eben genannte, betrachtet die Besonderheiten der Epoche als Herausforderungen, die auf die Darsteller warten und heben sie damit besonders hervor. Die andere Kategorie möchte uns auf die besonderen Umstände nicht aufmerksam machen, im Gegenteil, sie möchte sie als normale Zustände darstellen, also den Eindruck größtmöglicher Authentizität erzeugen. Ob dies allerdings immer gelingt, ist eine andere Frage.

Verfasserin: Carola Gollnick

 

Literatur und Links:

http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/tagungsberichte/id=282

(Stand 02.07.2009)

 
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